6.

 

Diesmal gab es keine Reste, sondern einen Ausflug in die echte Luxusklasse. Ich hätte mir allerdings denken können, daß auch diese von Antonio großspurig verkündete Verheißung einen Haken haben würde. Wir schlängelten uns schläfrig durch die romantischen und menschenleer gewordenen Gassen. Alte Bekannte, die ich aus Bildbänden und Gustavs schwärmerischen Selbstgesprächen während seines Kartenstudiums des antiken Roms kannte, liefen mir über den Weg. Der gigantische Schatten des Pantheons wuchs uns entgegen, als wir über die Via dei Cestari liefen, und als wir die Piazza della Rotonda erreichten, stand er plötzlich leibhaftig vor uns.

Läßt sich ein einfacherer Bau denken als das Pantheon?

Ein Zylinder mit einer Halbkugel darauf, das ist im Grunde alles. So genial schlicht und doch von monströser Dimension. Durch mächtige Bronzetüren gelangte man in den kreisrunden Raum, der einen Durchmesser und eine Höhe von fast fünfzig Metern hat. Die Mauern sind über sechs Meter dick! Der Tempel soll 27 vor Christus den sieben heiligen Planetengottheiten Neptun, Uranus, Saturn, Jupiter, Merkur, Venus und Mars als Tempel geweiht worden sein.

Mehr als kurz hineinzuschauen wagte ich um diese späte Stunde nicht. Mein Blick wanderte in die Höhe zu der Kassettendecke, die einst als Abbild des Himmelsgewölbes mit vergoldeter Bronze ausgeschmückt gewesen war. Eine zirka zehn Meter weite Kreisöffnung am höchsten Punkt war tagsüber die Quelle des sich gleichmäßig im Raum ausbreitenden Lichts. Nun in der Dunkelheit war lediglich eine fahle Lichtsäule zu sehen, die, vom Glanz der Sterne erzeugt, durch das Riesenloch in der Kuppel in die dunkle Halle herabfuhr, als sei sie eine Ehrenbezeugung des Himmels für den großen Renaissance-Sohn Roms, den von allen geliebten Raffael, dessen Grab sich hier in einer Mauernische befindet.

Antonio ermahnte mich zum Weiterziehen, und nach einer Weile schienen wir am Ziel angekommen zu sein.

Wir standen einem von Scheinwerfern angestrahlten Wunder aus gehauenem Stein gegenüber, dem bekanntesten Wahrzeichen Roms. Ein nicht gerade knickeriger Papst namens Klemens ließ zur Freude der Römer vor vielen Jahrhunderten an diesem Platz ein Wasser-Werk errichten. Es war die Fontana di Trevi, dieselbe, in die man rückwärts mit der rechten Hand über die linke Schulter eine Münze hineinwerfen muß, wenn man Rom wiedersehen will. Dieses barocke Kleinod als Brunnen zu titulieren, ist jedoch etwa so treffend, als bezeichnet man Elvis als Schlagersänger.

Nur ein paar Liebespaare saßen noch um diese späte Stunde am Rande des Beckens und turtelten miteinander.

Meine Augen weideten sich an dem Kunstwerk, das sich direkt an den Palast der Herzöge von Poli anlehnte. In der Mitte unter einem dreiachsigen Triumphbogen thronte der Gott Neptun auf einem von zwei Meerespferden gezogenen Wagen, umgeben von Muscheln, aufbrausenden Wellen und fischleibigen Meeresgöttern.

Das Wasser strömte über künstliche Felsen und umspielte die Figuren, bis es schließlich von dem halbrunden Becken aufgefangen wurde, um aufs Neue den Kreislauf zu beginnen. Die bezaubernde Illumination der Anlage und das leise Plätschern des Wassers verliehen der Atmosphäre etwas derart Entrücktes, daß ich versucht war, mich hinzulegen und an Ort und Stelle einzuschlafen.

»Wir sind da«, sagte Antonio. »Noch nicht einschlafen!«

»Wieso?« antwortete ich. »Müssen wir vor dem Zubettgehen noch ein Bad nehmen?«

Er deutete auf eines der umliegenden Gebäude und zog los. Zwischen den Häusern, die den Platz umschlossen, stach eins durch besondere Pracht hervor. Der in Sandgelb strahlende Palazzo schien frisch renoviert, oder man hatte niemals geduldet, daß er je verkam. Die in strenger Ordnung gruppierten Fenster mit den Jalousieläden besaßen die Größe von Türen. Ausladende Balkone beherbergten das Angebot mehrerer Blumenläden; aus riesigen Terrakottatöpfen stürzten sich Kaskaden lianenartiger Pflanzen in die Tiefe, so daß die Hälfte der Fassade von einem grünen Vorhang bedeckt wurde, und oben gab es eine Dachterrasse von der Fläche eines kleinen Sportplatzes. Und kein Geschäft für Edelklamotten verunstaltete die untere Etage, wie es sonst hier üblich zu sein schien. Mein Erstaunen wollte kein Ende finden, als mir an der portalgroßen Haustüre auffiel, daß daran nur ein Namensschild und eine einzige Klingel prunkten. Beide freilich aus poliertem Messing.

Antonio winkte mich mit einem Kopfnicken herbei und wies auf eine kleine Klappe unten an der Tür, durch die man normalerweise die Post durchschob. Also spielten wir Post und quetschten uns nacheinander durch den Schlitz hindurch. Drinnen die reinste Belle Époque! Das Entrée aus feinstem Marmor und Wandleuchter in Form von hellrosa Blumenblättern. Dann gelangten wir in einen salonartigen Raum, der vor Perserteppichen, ausgesuchten Antiquitäten und Sofas mit Laubwerkschnörkeln nur so strotzte. Aus ungefähr drei Kilometer Höhe schwebte ein Kronleuchter vom Durchmesser eines Traktorreifens mit mindestens dreißig Lampen herab. Durch riesige Atelierfenster war ein im Dunkeln liegender Garten zu erkennen. Von einer zerkratzten Schalplatte hallte Verdis La Traviata durch das ganze Gebäude wie Geistergesang.

Eine im Quadrat verlaufende Holztreppe führte in die oberen Stockwerke. Doch die Krönung war ein von einem kunstvoll geschmiedeten Käfig umfaßter Fahrstuhl im hinteren Winkel des Raumes. Es handelte sich um einen jener offenen Aufzüge, die Anfang des letzten Jahrhunderts in Bürgerhäuser eingebaut wurden und die nur für wenige Personen Platz boten. Er hatte ein Ziehharmonikagitter als Tür und eine erlesene Bedienungskonsole, die eher an eine Schmuckschatulle als an eine Apparatur zum Knöpfedrücken erinnerte.

»Wann beliebt der Butler uns bei Graf Rotz eine Audienz zu verschaffen, Antonio«, sagte ich, immer noch staunend. Wir standen im milden Licht von Jugendstilleuchtern und ließen uns von den strengen Augen der porträtierten Herrschaften auf den Gemälden an den Wänden begutachten. Die Damen und Herren stammten aus unterschiedlichen Epochen, und die Palette der Kleider, in denen sie abgebildet waren, reichte vom samtenen Wams bis zum goldbesetzten Schoßrock. Gewiß waren sie die Ahnen des Hauseigentümers. Ich riskierte einen Blick durch den mit Pflanzenornamenten verzierten Käfig in den Fahrstuhlschacht. Er zog sich nach oben über drei Stockwerke hinweg. Nach unten ging es wohl geradewegs in den Keller. So genau konnte ich es nicht erkennen, da dieser Teil in völliger Dunkelheit lag.

»Fürst Savoyen, nicht Graf Rotz«, sagte Antonio. Er setze sich auf den Teppich und begann sich zu putzen.

Zunächst leckte er hingebungsvoll an seinem dünnen Schwanz, der einer flinken Peitsche ähnelte. »Sein Geschlecht reicht bis zum dreizehnten Jahrhundert zurück.

Das Haus Savoyen spielte in der wechselvollen Geschichte der Errichtung des italienischen Staates eine wesentliche Rolle. Der Fürst ist der letzte Abkömmling seiner Linie und ist heute das, was man einen verarmten Adligen nennt. Soweit man das hier und ein Dutzend weiterer vergleichbarer Bauten in der Innenstadt unter Armut verbuchen kann.«

»Aber es ist schon ein herber Abstieg, wenn man die komplette Toskana an dieses demokratische Gesocks verliert! Gibt es vielleicht auch eine Signora Savoyen?«

»Nicht direkt …«

Antonio ließ mit einem Mal von seinem Schwanz ab und riß den Kopf hoch.

»Ah, da kommt ja unsere Gastgeberin!«

Oben auf der Treppe erschien ein Gespenst von betörender Schönheit. Sie war eine Blue-Point-Birma. Mit ihrem cremeweißen Körper und den dunklen Abzeichen an Kopf, Ohren, Schwanz und Beinen, ihrem seidigen und der Angora ähnlichen Fell, ihrem buschigen Schwanz und ihren saphirblauen Augen schien sie gerade einem wunderbaren Traum entsprungen. Die schneeweißen Pfoten hoben sich wie mit dem Lineal gezeichnet von den rauchgrauen Beinen ab.

»Samantha, tu regina della notte!« rief Antonio mit einem hellen Jauchzen in der Stimme.

»Antonio, tu bel uomo!« antwortete das hübsche Gespenst und trippelte mit federnden Schritten die Treppe hinab. Auf dem scharlachroten Teppich, der mit Messinghaken an den Seiten der Stufen straff in Form gehalten wurde, wirkte sie wie ein Schuß Sahne in Tomatenmark.

»Du Treuloser, wo hast du bloß so lange gesteckt? Ich dachte schon, einer dieser Modezaren hätte dich längst einkassiert, ausgestopft und als Schmuck auf einem avantgardistischen Hut drapiert. Und wer ist dieser Herr mit den weisen Augen an deiner Seite?«

Nachdem Samantha unten angelangt war, begrüßten sich die beiden in Anlehnung an die Etikette der menschlichen Bussi-Gesellschaft affektiert, indem sie ihre Wangen aneinanderrieben.

»Das ist mein neuer Freund Francis«, sagte Antonio.

»Eine gewisse Seelenverwandtschaft läßt darauf schließen, daß wir in einem früheren Leben schon furchtbar gut miteinander ausgekommen sein müssen.«

Er wandte sich mir mit einem süßlichen Lächeln zu.

»Und das ist die legendäre Samantha, Francis, die Signora des Hauses. Sie ist die einzige, mit der der Fürst zusammenlebt.«

Ich glaubte in Samanthas leuchtend blauen Augen den Anflug eines Lächelns zu erkennen, als Antonio mich als seinem »neuen Freund« vorstellte. Hätte mich der liebe Gott mit der Fähigkeit zum Erröten ausgestattet, wäre ich in diesem Moment wohl röter geworden als ein Vulkan bei höchster Betriebstemperatur. Ich geriet so in Verlegenheit, daß ich mich am liebsten in Luft aufgelöst hätte.

»Nett, dich kennenzulernen, Samantha«, sagte ich. »Es stimmt schon, ich und Antonio, wir sind wirklich gute Freunde geworden in den letzten Stunden. Mit Freunde meine ich, nun ja, Freundschaft im ursprünglichen Sinne, das heißt, Freunde, die miteinander Gedanken austauschen oder etwas zusammen unternehmen, etwas ganz Natürliches unternehmen, Natürliches im Sinne von, sagen wir mal, essen vielleicht oder zusammen schlafen, oh, äh, ah, also zusammen schlafen im Sinne von, wie soll ich sagen, wirklich schlafen, einfach sich hinlegen, meine ich …«

Sie brach in schallendes Gelächter aus.

»Dein Freund scheint sich ja wirklich um das korrekte Erscheinungsbild seiner sexuellen Orientierung zu sorgen, Antonio.«

»Ja, das ist so eine Macke von ihm. Er meint, er sei altmodisch. Dabei dachte ich immer, wir Römer wären altmodisch bei all dem ollen Bombast um uns herum. Aber keine Sorge, eigentlich ist er Detektiv …«

Antonio begann von dem traurigen Umstand unserer Begegnung zu erzählen und legte meine Vermutungen und Theorien bezüglich der Morde bis ins Detail dar.

Samantha war von meiner Beobachtungsgabe sehr angetan. Fast noch mehr aber beeindruckte sie meine Odyssee, die mich in ihrer wundervollen Metropole hatte stranden lassen. Obwohl sie das verwöhnte Luxusgeschöpf eines alten einsamen Mannes zu sein schien, war sie weder weltfremd noch ging ihr das Mitgefühl für ihre Brüder und Schwestern außerhalb ihrer Edelbehausung ab. Sie hatte von den Greueltaten schon gehört. Deshalb bestärkte sie mich darin, den Fall so schnell wie möglich aufzuklären, und bot mir alle ihr zur Verfügung stehende Hilfe an.

Vorerst jedoch mußte diese Hilfe in der Gewährung einer Schlafstatt bestehen, denn sowohl ich als auch Antonio waren nun am Ende unserer Kräfte. Samantha führte uns über die Treppe zum zweiten Stockwerk des Palazzos, wo wir ungestört würden schlafen können.

Unterwegs streiften wir an einem weiteren Salon vorbei, in dem sich der Hausherr aufhielt. Der greise Mann mit schulterlangem schlohweißem Haar und in braunem Hausmantel saß in einem Ledersessel, schwenkte in der Hand ein volles Rotweinglas und rauchte eine fette Zigarre. Er war umgeben von zahlreichen Kandelabern mit brennenden Kerzen, die seine Ahnen an den Wänden beleuchteten. Er nippte sparsam an seinem Rotwein und lächelte in sich hinein. Ein alter Plattenspieler auf einer antiken Kommode lieferte ihm mit La Traviata die passende Musik zu seiner vom Glanz verflossener Tage zehrenden Stimmung.

Wir trabten ein Stockwerk höher, durchquerten dunkle Korridore und betraten schließlich ein Zimmer, in dem sich Samtkissen, Kratzbäume und mannigfaltiges Spielzeug für unsere Art befanden. Mit einem Wort, Samanthas in güldener Ahnenzeit versunkener Dosenöffner tat mehr als das Menschenmögliche, damit es seinem Haustier gutging.

Ich kann mich nicht mehr daran entsinnen, wie Antonio und ich uns auf die Kissen sinken ließen und dann wegdämmerten. Doch ob bloße Einbildung oder wirkliche Erinnerung, bevor ich das Traumland betrat, glaubte ich noch Samanthas Gesicht über mir zu sehen. Es strahlte zunächst die gewohnte Güte aus, doch bevor mir die Augenlider zuklappten, nahm es abrupt eine seltsame Härte an.

Im Traumland ging es nicht weniger seltsam zu. Ich befand mich wieder im Flugzeug, wieder in Richtung Rom. Das Drollige war, daß ich wie ein Mensch aufrecht auf meinem Hintern saß. Ich war sogar angeschnallt! Die Maschine war menschenleer, und das Sonnenlicht über dem flockigen Wolkenteppich flutete durch die Bordfenster in solcher Intensität hinein, daß mir selbst bei zusammengekniffenen Lidern die Augen schmerzten. Aus den Lautsprechern rieselte leise La Traviata, kratzig und gelegentlich von Sprüngen unterbrochen.

Plötzlich tauchte Gustav neben mir auf. Er war unterwegs zur Toilette, und stapfte wie ein Zirkusbär täppisch an mir vorbei. Als er mich entdeckte, lächelte er sein einfältiges Lächeln.

»Ich habe zu Hause auch einen von deiner Sorte!« sagte er, zwinkerte mir zu und zog weiter.

Als ich nach rechts schaute, stellte ich fest, daß sich außer Gustav noch ein anderer Mensch im Passagierraum befand. Auf dem Nachbarsitz saß Antonios ehemaliges Herrchen. Obwohl ich ihn noch nie vorher gesehen hatte, erkannte ich ihn auf Anhieb. Er trug einen pastellfarbenen Disco-Anzug aus den Siebzigern mit weitem Revers und Schlaghosen. Das halb aufgeknöpfte Hemd entblößte eine haarige Brust, über der ein silbernes Kruzifix baumelte.

Irgendwo hatte ich das schon gesehen. Die Rolex am Handgelenk, die goldenen Manschettenknöpfe und eine große dunkle Sonnenbrille, die keinerlei Blick auf die sich dahinter verbergenden Augen zuließ, vollendeten das Bild des römischen Machos.

Der makellos gebräunte Mann hielt in der einen Hand eine dicke Zigarre, mit der anderen nippte er an einem Rotweinglas. Dabei lächelte er abwesend in sich hinein, als sei er nicht nur über den Wolken, sondern über allem Irdischen. Sukzessive baute sich eine innere Unruhe in mir auf. Sehr bald wußte ich auch, warum.

Mein Blick schweifte an meinem Sitznachbarn vorbei, zoomte sich quasi durch das Bordfenster hinaus und gelangte nach draußen. Wir waren jetzt im Landeanflug; ich konnte schon viele Details erkennen. Doch mit Bestürzung gewahrte ich, daß wir weder Rom noch eine andere italienische Stadt ansteuerten. Gewiß, auch hier war alles von Sonne überstrahlt. Aber anstelle von südlichen Gefilden rasten wir jetzt einer sich bis zum Horizont erstreckenden Skyline-Landschaft entgegen. Wie ein kunstvolles Arrangement ungezählter Bauklötze wuchs das Hochhäusermeer eindrucksvoll in den stahlblauen Himmel empor. Obgleich die Gebäude dicht an dicht lagen, schien jedes einzelne ein charakteristisches Gesicht zu besitzen. Meine anfängliche Bestürzung verwandelte sich in nacktes Grauen.

Ich sah mich gefangen in einem milliardenfach um die Welt gegangenen Alptraumszenario, das mit atemberaubender Geschwindigkeit auf mich zuraste und mir die Kehle zuschnürte. Die Bestimmung unseres Fluges war New York, genauer Manhattan. An vorderster Front der Wolkenkratzer-Familie stierten mir die Zwillingstürme entgegen wie längst verweste und wieder zum Leben erweckte Verwandte. Sie wurden größer und größer, länger und länger, und wir flogen unaufhaltsam auf sie zu.

Die verspiegelten Fronten warfen das grelle Sonnenlicht zurück, daß es einem auf der Netzhaut brannte.

Mein Pulsschlag näherte sich dem Rhythmus eines Trommelsolos. Ich zitterte am ganzen Leib und warf mich in meinem Gurt hin und her. Denn ich wußte, was in wenigen Sekunden passieren würde.

Da hörte ich dieses Geräusch …

Ich löste mich vom Anblick der Türme und schaute in den freien Himmel. Etwas Schwarzes jagte von der Seite auf uns zu. Erst war es nur ein vibrierender Fleck in der Unendlichkeit des blauen Firmaments, doch dann erkannte ich Antonio, der wie Superman oder besser gesagt wie Batman auf die Maschine zuflog. Während seines Fluges schien er sogar mehrmals um die eigene Achse zu rotieren.

Dabei lachte er triumphierend, als sei er tatsächlich ein Comic-Held, der die Welt im letzten Moment retten würde. Er kam immer näher, und ich sah, daß sein keilartiger Kopf die Form einer Raketenspitze angenommen hatte. Mit lautem Krachen durchstieß er das Bordfenster und landete zielgenau auf dem Schoß seines Herrchens.

Draußen war das Szenario plötzlich wie weggezaubert.

Die Sonne streichelte wieder flockige Wolkenfelder, die Harmonie schien wiederhergestellt. Die Haare meines Sitznachbarn flatterten wild im Luftzug aus dem Loch im Bordfenster. Der feine Herr hatte sich durch den Zwischenfall in seiner meditativen Stimmung kein bißchen beeinträchtigen lassen. Er lächelte immer noch milde hinter seinen dunklen Brillengläsern, nippte gelassen am Rotwein und streichelte jetzt liebevoll sein Haustier. Auch ich beruhigte mich angesichts des wiederhergestellten Einklangs langsam, obwohl ich mir die Absurdität der letzten Minuten nicht erklären konnte.

Ja, wie ich mir den eingekuschelten, zufrieden schnurrenden Antonio so ansah, kehrte in mir so etwas wie Friede ein.

Da aber riß der einsame Passagier mit einem Mal die Brille vom Gesicht, packte Antonio am Nacken und drehte seinen Kopf wie einen störrischen Schraubverschluß mit aller Gewalt zu mir herum, so daß ich ihn im Profil betrachten konnte. Anstelle des Ohrs klaffte im schwarzen Fell ein monströses Loch. Ich konnte durch die offene Schädeldecke direkt ins rosa schimmernde Hirn sehen. Ein Schwall aus Blut und einer glitschigen Substanz quoll daraus hervor, lief am Hals des Orientalen herunter und näßte die helle Hose seines Herrn. Das Groteske an diesem Anblick war, daß sich Antonios leuchtend grüne Augen immer noch bewegten und er sein listiges Lächeln um die Maulwinkel trotz allem beibehielt.

»Wir haben zu Hause viele von deiner Sorte, Francis!«

sprach der Mann und prostete mir mit dem Weinglas zu.

Im gleichen Moment barst Antonio in einer ohrenbetäubenden Explosion in tausend Fetzen auseinander.